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zu: "Deutsche Kriegsversehrte im 20. Jahrhundert"
Schilderung eines Kriegsversehrten
In einem Rundfunkgespräch beschrieb nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Kriegsversehrter seine Lebensumstände.
Nachzulesen ist die Darstellung auch in dem Buch Kriegsversehrte. Allgemeine Lebensbedingungen und medizische Versorgung deutscher Versehrter nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der Britischen Besatzungszone Deutschlands - dargestellt am Beispiel der Hansestadt Hamburg (ISBN 3-8334-4725-7).
Das Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg (StAHH) bewahrt die zitierte Quelle auf:StAHH, Sozialbehörde II, 150.10-5: „Schilderung des Versehrten Liebetau” vom 6. August 1946
„Am 18. März 1945 wurde ich bei Bladiau in Ostpreußen als Obergefreiter der Division 'Großdeutschland' bei der Bergung von gepanzerten Fahrzeugen verwundet. Kameraden bei der Einheit brachten mich zum Hauptverbandsplatz, dort wurde mir das linke Bein amputiert und das rechte geschient. Nach 15-tägiger Irrfahrt, ohne große ärztliche Hilfe und Verbandswechsel, landeten wir auf dem Seewege in Stralsund. Von dort kamen wir dann nach Bergen auf Rügen ins Lazarett. Das rechte Bein war inzwischen so vereitert, daß es nicht gerettet werden konnte und wurde mir am 3. April amputiert. Nach vier Wochen kamen wir nach Kopenhagen auf das Lazarettschiff ‘Monte Rose’ [gemeint ist "Monte Rosa"], um nach 6 Wochen wieder nach Deutschland abgeschoben zu werden. Wir kamen dort in eine Kaserne in Schwerin, um von dort nach kurzer Zeit wieder nach Hamburg-Wandsbek in die Douaumont-Kaserne zu kommen. Dort mußten wir wieder räumen, weil eine Blindenlehranstalt eingerichtet werden sollte. Wir landeten in der Oberschule im Hilfskrankenhaus Rahlstedt. Dort wurde ich nachamputiert, war ausgeheilt, wandte mich an das Versorgungsamt wegen Prothesen. Innerhalb von 6 Monaten bekam ich meine Prothesen. Schwierig war jetzt die Schuhfrage. Ich hatte wohl Prothesen, aber keine Schuhe und wandte mich an die Orthopädische Versorgungsstelle. Dort wurde ich gefragt, ob ich Hamburger wäre. Ich antwortete ‘Nein, Berliner’. Da sagte mir der Herr, es bekommen nur Hamburger Schuhe, aber ich müßte mal zum Wirtschaftsamt Rahlstedt gehen. Dort sage mir die Dame dasselbe. Auf meinen Wunsch setzte sich die betreffende Dame telefonisch mit dem(...)Landeswirtschaftsamt in Verbindung. Der betreffende Herr ließ mir sagen, ich sollte mit meinen Prothesen abfahren und mir in Berlin Schuhe besorgen. Inzwischen bekamen wir von der Deutschen Hilfsgemeinschaft ein paar imprägnierte Stoffschuhe mit Gummisohlen, mit denen wir bei nassem Wetter, ohne Gefahr uns die Knochen zu brechen, nicht gehen konnten. Lederschuhe habe ich bis heute noch nicht bekommen. Es besteht Aussicht, einen Bezugschein für Schuhe zu erhalten, doch die Bezugscheine kommen von ausserhalb. Es wird also wohl wieder allerhand Zeit draufgehen. Nach 10 Monaten wurde ich in Rahlstedt abgeschoben und kam nach Harburg ins Versehrtenheim, wo ich mich im Sommer ganz wohl fühle. An den Winter denken wir alle mit Grausen. Über meine Berufsaussicht kann ich folgendes sagen: Ich bin von Beruf Schweißer und hoffe, daß ich wieder einen geeigneten Arbeitsplatz zugewiesen bekomme. Wir in Harburg sind ungefähr 20 Doppelamputierte. Wir müssen dauernd im Sand sitzen, weil keine Selbstfahrer da sind. Die Verpflegung ist gut.”